
Welche Chancen bietet der indische Spielwarenmarkt?
Wachsende Kaufkraft und hohe Geburtenraten treiben Wachstum an
Von Steve Reece
Schon seit Längerem gilt Indien als mögliche Alternative zu China als Produktionsstandort für Spielzeug. Dafür gibt es gute Gründe: ein riesiges Heer an Arbeitskräften, geringe Lohnkosten (zumindest für Arbeiter im produzierenden Gewerbe) und eine bereits vorhandene industrielle Basis mit guten Kenntnissen in der Verarbeitung von Kunststoffen.
Mittlerweile steht aber nicht mehr nur der Produktionsstandort Indien im Fokus, sondern der Subkontinent wird auch als Absatzmarkt immer interessanter. Dafür gibt es mehrere Gründe:
Weltweit sinkende Geburtenzahlen lassen Absatzmärkte schrumpfen
Angaben der Weltbank zufolge lag die weltweite Geburtenrate im Jahr 1965, also vor gerade einmal 60 Jahren, bei 5,1 Kindern pro Frau. Im Jahr 2022 waren es nur noch 2,3 Geburten pro Frau, was minimal über der Reproduktionsrate von 2,1 liegt, die benötigt wird, um eine Population stabil zu halten. Wir haben es also mit einem massiven Rückgang der Geburten pro Frau zu tun. Noch düsterer sieht es aus, wenn man sich die großen Märkte für Toys anschaut. Spitzenreiter sind hier nach wie vor die USA, wo die Geburtenrate 2023 bei einem Rekordtief von 1,62 lag. Danach folgt China als zweitgrößter Spielzeugmarkt mit einer Geburtenrate von 1,705 im Jahr 2023. Und in Japan wurden gerade mal 1,2 Kinder pro Frau geboren – ein historischer Minusrekord! Auch in Europa sehen wir diesen Trend. So lag der Wert in Deutschland 2023 gerade mal bei 1,35, und Italien ist mit 1,2 Kindern pro Frau das Schlusslicht auf dem alten Kontinent. Wir müssen uns also daran gewöhnen, dass es in den entwickelten Industrieländern immer weniger Kinder und somit weniger potenzielle Nutzer von Spielzeug gibt. Folglich muss die Spielwarenbranche, wenn sie weiter wachsen will, mehr Toys pro Kind verkaufen (das ist durchaus realistisch und langfristig wird der Trend auch dahingehen), mehr Spielwaren an erwachsene Kidults bringen oder in neue Märkte vordringen, die bis jetzt noch unzureichend erschlossen sind. Bei der letzten Option lautet die Frage nur: Wo sind diese Märkte, die mittelfristig richtig gute Erfolgschancen versprechen?
Podiumsdiskussion über Indien
Auf der Spielwarenmesse 2025 trugen Experten aktuelles Wissen über den Indischen Markt zusammen. Der indische Spielwarenmarkt: Chancen und Potenziale für internationale Hersteller. Die ganze Podiumsdiskussion des Toy Business Forums ist auf Spielwarenmesse Digital abrufbar.
Demographische Entwicklung und Wirtschaftswachstum in Indien

Die Antwort ist einfach und heißt Indien, weil nur dort für das nächste Jahrzehnt signifikantes Wachstumspotenzial steckt. Natürlich sind die Geburtenraten in Afrika viel höher, nämlich zwischen drei und sieben Kindern pro Frau, je nachdem, von welchem Land wir sprechen. Allerdings gibt es dort kaum wirtschaftliche Entwicklung und eine sehr viel geringere Kaufkraft. Der afrikanische Kontinent ist also in Sachen Spielzeug durchaus ein noch nicht vollständig ausgeschöpfter Markt, bietet aber bei weitem nicht so viel Wachstumspotenzial wie Indien. Die Ursachen dafür sind wirtschaftlicher Natur, und das dürfte sich mittelfristig, also in den nächsten zehn Jahren, auch kaum ändern. Bei Indien liegen die Dinge hingegen ganz anders. Mit einer Bevölkerung von 1,438 Milliarden Menschen und 23,2 Millionen Geburten im Jahr 2023 haben wir es hier mit einem Koloss zu tun. Zum Vergleich: in den USA wurden im selben Zeitraum 3,6 Millionen Kinder geboren, und selbst im Reich der Mitte erblickten 2023 nur 9,02 Millionen potenziell neue Spielzeugnutzer das Licht der Welt. Also ist das Umsatzpotenzial für Spielzeug, das in Indien steckt, allein aus demografischen Gründen gigantisch. Bis vor kurzem war das Haupthemmnis für Wachstum in Indien die Armut, denn wo es viele Menschen gibt, die aber sehr arm sind, wird auch wenig Spielzeug gekauft. Das Gesamtvolumen des Toy-Markts in Indien wird auf 1,5 bis 2 Milliarden US-Dollar geschätzt. Wenn man diese Zahlen in Relation zur Bevölkerung setzt, ist das gar nicht so viel. Es ist schwer, an belastbare Daten zu kommen, denn 60-70% der Umsätze werden in einem Markt generiert, der als „Informal Market“ bezeichnet wird. Das sind meistens kleine Geschäfte vor Ort, die über keine elektronischen Kassensysteme oder sonstigen Datenerfassungssysteme verfügen. Hinzu kommt, dass der „Formal Market“, zu dem die Einzelhandelsketten gehören, bedeutend kleiner ist als der Gesamtmarkt und es vielleicht gerade einmal auf 400-500 Millionen US-Dollar Umsatz bringt. Genau dort liegen aber die Chancen. Das BIP in Indien lag im Jahr 2000 bei 468 Milliarden US-Dollar, 2023 waren es schon 3,57 Billionen und für 2030 wird mit mehr als 7 Billionen US-Dollar gerechnet. Zum Vergleich: In Großbritannien lag das BIP 2023 bei 3,38 Billionen, in Deutschland waren es 4,5 Billionen, und die gigantische US-Wirtschaft brachte es insgesamt auf 27,7 Billionen US-Dollar. Indien gehört also bereits jetzt zu den fünf wirtschaftsstärksten Ländern, wenn man das BIP zugrunde legt. Bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PWC geht man übrigens davon aus, dass Indien im Jahr 2050 die zweitgrößte Volkswirtschaft weltweit sein wird.
Besonderheiten des indischen Markts

Eine Nachricht vorab an alle, die jetzt sofort ehrgeizige Sales Targets für Indien definieren und ihr Vertriebsteam lieber heute als morgen auf den Subkontinent loslassen wollen: es handelt sich hier eher um eine Gelegenheit, mittelfristig Wettbewerbsvorteile und Wachstum zu erzielen! Derzeit ist China der zweitgrößte Markt für Spielzeug, aber das ist erst seit ca. 15 Jahren der Fall. Als sich China 1979 für die Welt öffnete, war extreme Armut die Regel, und dementsprechend niedrig war der Spielzeugkonsum. Wer bereits im Land investiert hatte, als der Markt noch schwächer war, hatte dann häufig eine solide Marktposition, als die Wirtschaft und der Markt wirklich interessant wurden. Das Indien von heute ist ein bisschen wie das China aus den späten 1990ern. Es bietet Chancen für zukünftiges Wachstum, hat aber auch mit Problemen zu kämpfen. Man könnte sagen, dass Indien ein Land ist, in dem derzeit nach und nach Chancen für internationale Unternehmen entstehen. Schnelles Geld kann man hier eher nicht machen. Aber wer jetzt bereit ist, Zeit, Energie und Ressourcen zu investieren, könnte in der Zukunft reichlich dafür belohnt werden. Ein Problem des indischen Markts sind die enorm hohen Zölle auf Spielwaren (70% für chinesisches Spielzeug). Hersteller sollten also in Erwägung ziehen, in Indien selbst zu produzieren, wenn sie den Markt erschließen wollen. Dabei dürfte das anfängliche Absatzvolumen, das der indische Markt bietet, nicht ausreichen, um die Kosten für die Herstellung von inländischen Fertigungskapazitäten einzuspielen, sodass man am besten gleich planen sollte, die in Indien gefertigten Waren auch in andere Länder zu exportieren. Das ist nur eine der zahlreichen Herausforderungen, die Indien bereithält. Der Markt ist jetzt noch nicht voll entwickelt, dürfte aber im kommenden Jahrzehnt einen Kipppunkt erreichen, ab dem eine kritische Masse Spielwaren konsumiert, wenn das wirtschaftliche Wachstum des Landes so weitergeht. Und dann haben die Player, die bereits im Markt präsent sind, einen Early-Mover-Advantage – ganz nach dem Motto: der frühe Vogel fängt den Wurm!
Kids India vom 06. bis 08. Oktober 2025
Sie wollen auch in den Wachstumsmarkt Indien einsteigen oder Ihre Geschäfte dort ausbauen? Die Kids India öffnet das Tor zum indischen Markt. Lernen Sie auf der Fachmesse den Markt und seine Mitspieler kennen. Vom 06. - 08. Oktober 2025 können Sie dort wichtige Kontakte knüpfen!
Über den Autor
Steve Reece ist seit 25 Jahren in der Spielwarenbranche unterwegs. Zuerst war er bei Hasbro für die Markenführung von wichtigen Brands wie Monopoly, Play-Doh und Trivial Pursuit zuständig. Mittlerweile betreibt er eine Unternehmensberatung mit dem Namen Kids Brand Insight, die Anbieter von Spielwaren dabei unterstützt, robuste und diversifizierte Lieferketten aufzubauen und passendes Personal zu finden.